Business-News24.de: Die Baubranche steckt in einer tiefen Krise, Ihr Geschäft als Baulogistiker dagegen boomt - was ist Ihr Erfolgsgeheimnis, Herr Hülsewig?
Christian Hülsewig: Zunächst mal: Trotz aller Schwierigkeiten - den Kopf nicht in den Sand stecken. Dann: Was andere schon machen - besser machen. Und: den bestmöglichen Service bieten - jederzeit.
Wie genau sind Sie vorgegangen?
Als erstes haben wir uns damals die Lieferketten genau angesehen und festgestellt: es gibt sie beim Bau praktisch nicht. Anders als z.B. in der Autoindustrie, wo ich nach dem Bestellen genau weiß, wer wann wo wie was liefert, das ist alles hochgradig automatisiert, aber beim Bau eben nicht. Obwohl gerade der Bauunternehmer tausende Produkte braucht, das ist alles irre komplex. Also haben wir uns gefragt: Womit gehen wir an den Start, was können wir besser, einfacher und effizienter machen? Dann haben wir angefangen mit der Lieferung von Sand, Schotter und Kies - und haben einen stark fragmentierten Markt konsequent digitalisiert. Während auf dem Bau vor 5 Jahren noch alle Geschäfte per Fax und Telefon abgewickelt wurde, geht heute alles bequem per App. Es ist fast so einfach wie Pizza oder ein Taxi zu bestellen.
Wo lagen die Schwierigkeiten?
Beim sehr breiten Spektrum und der fehlenden Integration der Lieferketten. Ein normales Bauprojekt dauert im Schnitt ein Jahr, es werden 50.000 Produkte benötigt.
Dazu kommt die wahnsinnige Bürokratie in Deutschland - und die schleppende Digitalisierung. Sie müssen sich vorstellen: Es gibt Situationen, in den wir bei öffentlichen Aufträgen, die bereits digitalisierten Lieferscheine, Wiegenden, Rechnungen ect. Ausdrucken und zum Amt bringen müssen - damit sie dort wieder eingescannt werden… Dabei können wir das alles längst rechtssicher und per digitaler Schnittstelle anbieten.
Und ein drittes Beispiel: Ersatzbaustoffe, also recyceltes Material, wird längst nicht ausreichend akzeptiert. Obwohl hier ein riesiger Hebel liegt für die Vermeidung von Abfällen.
Denn wenn beispielsweise in Berlin eine Strasse gebaut wird, wird der Schotter, der als sogenannte Schotter-Tragschicht notwendig ist, in den meisten Fällen noch immer als Primärbaustoff aus der Lausitz angeliefert. Aus dem Stein gesprengt, über 150 Kilometer angeliefert. Im schlimmsten Fall fahren so hunderte Transporte voll beladen in die Hauptstadt - und leer wieder zurück. Dabei bietet Schüttflix als digitale Logistikdrehscheibe längst die Lösung: zum einen durch das Netzwerk, das beispielsweise die Rückbaumassnahme eines Gebäudes gleich um die Ecke als Quelle für recycelten Schotter identifiziert, zum anderen mit seinem digitalen Tourenplaner, der dafür sorgt, dass alle Transporte möglichst jederzeit voll fahren. Das spart CO2, schont Strassen und die natürlichen Ressourcen und somit die Umwelt. Digital, effizient - und transparent.
Das sind alles Punkte, die in Deutschland dringend in die Hand genommen werden müssen. Zwar sind mit dem Digitalpakt zum einen als auch mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz zum anderen längst die Beschlüsse gefasst - nur müssen diese auch umgesetzt werden.
Und wo liegen die Chancen?
All diese Probleme sind unsere Chancen! Es gibt keine Industrie, die so wenig produktiv ist, wie die Logistik in der Baubranche. Unser Vorteil ist zudem, das wir von der Krise im Wohnungsbau nicht so betroffen sind, da wir uns auf die Belieferung von Infrasturkturprojekten, den Straßenbau, Bau von Windrädern usw. spezialisiert haben.
Was erhoffen Sie sich von der Politik?
Erstens: Keine Kürzungen beim Ausbau der Infrastruktur! Zweitens: Digitalisierung konsequent vorantreiben. Drittens: Kreislaufwirtschaft und Abfallreduktion fördern, der Umwelt und der Wirtschaft zuliebe.
Wir können das sehr genau an den Zahlen unseres polnischen Marktes sehen. Da wachsen wir deutlich schneller als in Deutschland. Warum? Die Polen sind viel digitaler unterwegs, investieren massiv in Infrastruktur und gehen moderne und pragmatische Wege beim Thema CO2 Reduktion. Im Gegensatz zu uns haben die einen klaren digitalen Fahrplan - sowohl in der Industrie als auch der Politik.
Stichwort Nachhaltigkeit: Was können Sie da als Baulogistiker tun?
Die Möglichkeiten sind riesig. Wir können zum Beispiel Wertstoffe, die beim Rückbau von Kohlekraftwerken aber auch Straßen oder anderen großen Bauprojekten anfallen, identifizieren und zurück in den Kreislauf führen. So kann recyceltes Material direkt von einer Baustelle zur anderen gebracht werden - das schont die Umwelt und spart Kosten.
Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, Sophia Thomalla und Lukas Podolski als Werbeträger für Schüttflix unter Vertrag zu nehmen?
Beide sind wie Schüttflix: bodenständig, authentisch und fair.
Sie haben Ihren Umsatz letztes Jahr auf 125 Millionen Euro verdoppelt, wo werden Sie am Ende diesen Jahres stehen und wie geht es dann weiter - ist ein Börsengang geplant?
Für dieses Jahr peilen wir einen Umsatz von 250 Mio. Euro an, also eine weitere Verdoppelung. Und wir werden im 2. Halbjahr 2024 erstmals die Gewinnzone erreichen. Natürlich ist unser langfristiges Ziel der Gang an die Börse. Allerdings machen wir einen Schritt nach dem nächsten.
Info Schüttflix
Schüttflix wurde 2019 gemeinsam von Christian Hülsewig und dem Gütersloher Unternehmer Thomas Hagedorn (53) gegründet. Die Plattform verknüpft mehr als 15.000 registrierte Bauunternehmen, Speditionen, Erzeuger und Entsorger sowie mehr als 30.000 Fahrzeuge an einem Ort. Dank des intelligenten Stoffstrom-Managements beinhalten heute mehr als 40% aller Schüttflix-Transporte Recycling-Material - Tendenz steigend. Schüttflix generierte 2023 über 125 Mio. € Umsatz und ist in Deutschland, Österreich, Polen und Tschechien vertreten.