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Politik

Warum eine US-Präsidentin Kamala Harris besser für Deutschland und Europa wäre

Dr. László Andor*
Dr. László Andor*

Der Rückzug eines Präsidentschaftskandidaten kurz vor den Wahlen ist nicht üblich, vor allem wenn es sich um den amtierenden Präsidenten handelt. In diesem Fall rechtfertigen aber das Alter und die allgemeine Fitness von Joe Biden die Ablösung. Beobachter müssen sich sehr schnell eine Meinung bilden: Wer ist die bessere Wahl, Harris oder Trump? Und aus europäischer Sicht: Wer wäre besser für uns?

Was die Vizepräsidentin Kamala Harris betrifft, so ist ihr eigenes Profil relativ dünn, da ein Vizepräsident oft im Schatten des Präsidenten steht. Daher muss man davon ausgehen, dass die politische Ausrichtung der Biden-Administration im Großen und Ganzen auch unter Präsidentin Harris fortgesetzt würde. Und insgesamt sollten wir von einer positiven Bilanz sprechen, die unter schwierigen Umständen erzielt wurde. Die Turbulenzen an den Kapitalmärkten in den letzten Tagen könnten ein Zeichen für tiefergehende Trends sein, sollten aber nicht von den wesentlichen Merkmalen der Wirtschaftspolitik unter den Demokraten ablenken.

In der Wirtschaft ist das Markenzeichen der Biden-Administration der Inflation Reduction Act, der sicherlich eine Herausforderung für Europa war, aber vor allem den Weg für einen neuen interventionistischen Ansatz in der Wirtschaftspolitik weist. Es gibt keine andere Möglichkeit, die Versprechen der Klimapolitik einzulösen, als mehr Hebel der Wirtschaftspolitik im Streben nach langfristiger Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit einzusetzen.

Bidens Regierung hat viele Erfolge vorzuweisen, von massiven Steuergutschriften für Unternehmen, die in grüne Energie investieren, bis hin zu einer beispiellosen Finanzierung von Halbleiter- und anderen inländischen Fabriken. Die Regierung hat auch viel in den Ausbau von Straßen und Brücken investiert - ein Großteil davon wird natürlich erst Jahre nach dem Ausscheiden von Joe Biden aus dem Amt zur Verfügung stehen. All dies sollte für die Europäer eine Ermutigung sein, wenn sie nach einer Definition der Industriepolitik und der wirtschaftlichen Instrumente der "strategischen Autonomie" suchen.

Während Biden und Harris ein zukunftsorientiertes Modell der Wirtschaftspolitik entwickelt haben, von dem die Europäer lernen sollten, haben sie gleichzeitig auch den US-Kontext so weit wie möglich einbezogen. Dank Bidens gigantischem Post-Corona-Konjunkturpaket fiel die Arbeitslosigkeit auf ein Rekordtief, das es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hatte.

Biden war wohl der arbeitnehmerfreundlichste Präsident der USA seit Franklin D. Roosevelt in den 1930er Jahren. Er bat nicht nur um die Unterstützung der Gewerkschaften, sondern stärkte auch die Arbeitnehmer, indem er ihnen den Beitritt zu einer Gewerkschaft erleichterte. Seine herausragenden Leistungen im Bereich der Arbeitnehmerrechte brachten ihm den Spitznamen „Gewerkschafts-Joe“ ("Union-Joe“) ein. Im Jahr 2021 schickte er sogar eine Videobotschaft nach Alabama, um die Beschäftigten von Amazon zu ermutigen, einer Gewerkschaft beizutreten, und bestand darauf, dass es "keine Einschüchterung, keinen Zwang, keine Drohungen und keine gewerkschaftsfeindliche Propaganda" seitens der Arbeitgeber geben dürfe, die die Bemühungen der Beschäftigten um eine Gewerkschaftsgründung untergraben würden.

Der Faktor Kalifornien ist auch aus europäischer Sicht interessant. Und dieser muss vor dem Hintergrund der sich ständig verschlechternden Beziehungen zwischen Europa und China sowie des unheilvollen Wettlaufs in der Militarisierung zwischen den USA und China bewertet werden. Die internationale Wirtschaftsdiplomatie des kalifornischen Gouverneurs Gavin Newsom und insbesondere seine hochrangigen Verhandlungen in China (Oktober 2023) verdienen unsere Aufmerksamkeit. Obwohl Kalifornien seit den Gouverneuren Brown und Schwarzenegger eine überparteiliche Tradition in der Entwicklung der Beziehungen zu China hat, war Newsom der erste US-Gouverneur, der China seit über vier Jahren besuchte, um die Bemühungen um eine Stabilisierung der Beziehungen zwischen den beiden Nationen zu unterstützen. Der kalifornische Faktor könnte Harris und indirekt auch Europa dabei helfen, eine weitere Eskalation der Spannungen mit China zu vermeiden und eine Politik des Vertrauens und der Zusammenarbeit innerhalb eines multilateralen Systems wieder aufzubauen.

Es war die Regierung Biden, in der Finanzministerin Janet Yellen eine Schlüsselrolle spielte, die die Initiative für eine koordinierte Mindeststeuer für Unternehmen ergriff. Im Jahr 2021 haben sich 140 Länder der Welt darauf geeinigt, den größten multinationalen Unternehmen einen globalen Mindeststeuersatz von 15 % aufzuerlegen. Dahinter steht die Notwendigkeit, die Steuerbasis der entwickelten Länder in Europa und Nordamerika zu schützen, nicht zuletzt um unsere Wohlfahrtsstaaten zu erhalten. Angesichts unseres gemeinsamen Interesses ist es wichtig, dass die USA auch in Zukunft auf diesem Weg bleiben - und die Chancen dafür stehen unter Harris besser als unter Trump.

Eine Entscheidung für Harris könnte auch durch die Abneigung gegen Donald Trump motiviert sein. Das Image des ehemaligen Präsidenten ist durch die verfassungsfeindlichen Ausschreitungen vom 6. Januar angekratzt, aber man sollte sich auch daran erinnern, wie er regiert hat. Er hat einen Handelskrieg gegen Deutschland angezettelt, weil er der Meinung war, dass dies ein guter Weg sei, um Defizite und Überschüsse auszugleichen und die Weltwirtschaft wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Höchstwahrscheinlich würde ein zweiter Trump als Präsident eine verstärkte Version der nationalistischen Wirtschaftsagenda bringen. Die Europäer sehen Harris zu Recht als die Person, die uns vor diesem Szenario bewahren kann.

In den kommenden Jahren wird die größte Herausforderung für Europa darin bestehen, das Wachstumspotenzial des Kontinents wiederherzustellen und dabei die Klimaziele zu erreichen und das europäische Sozialmodell zu bewahren. Es wäre besonders schwierig, diesen Weg zu finden, wenn die EU dem Risiko einer erratischen Regierungsführung auf der anderen Seite des Atlantiks ausgesetzt ist, die gelegentlich einem Wirtschaftskrieg gegen uns gleichkommt.

*László Andor, ehemaliger EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration und Honorar-Professor an der europäischen Viadrina-Universität in Frankfurt/Oder

Lesen Sie auch: Warum ein US-Präsident Donald Trump besser für Deutschland und Europa wäre

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